Garrett wrote:Naja, DD schon richtig, was du sagst, aber nur eine Seite. Learning by doing setzt stark auf eigenverantwortliches Lernen, und wie ich schon gesagt habe, ist nicht jeder dafür geschaffen. Vielleicht ließe sich das aber gut mit dem "Unterricht" den ich mir vorstelle verbinden.
Wenn ich jemandem etwas beibringen soll, dann ist das allermindeste, was ich
zwingend voraussetze, Interesse am Lernen bei meinem Gegenüber.
Es geht hier doch um ein Hobby! Wenn jemand nicht lernen
will, wozu dann überhaupt Unterricht? Wir sind ja nicht in der Schule, wo der Staat die Aufgabe hat, die Kinder mehr oder weniger gut aufs Leben vorzubereiten - alles, was
wir anbieten könnten, muss von potentiellen Zuhörern
freiwillig und mit eigenem Einsatzwillen gelernt werden. Was wir beitragen könnten, wären interessante Aufgabenstellungen und verständlich präsentierte Lösungswege - aber Motivation? Wollen wir Deutschland zu einem Volk der Fansubber umerziehen? Also ich zumindest nicht...
Garrett wrote:So ließe sich Beispielsweise ein Seminar veranstalten, in dem eine kleinere Serie (12 Folgen oder weniger) das Thema ist.
12 Folgen? Viel zu lang. Wann willst Du 12 Folgen übersetzen und dabei
über jeden einzelnen Satz diskutieren können? Das dauert
Monate. Wenn ich einen Edit-Durchgang über die Übersetzung eines bereits erfahrenen Kollegen wie Rei_Battlecake mache (oder er einen bei mir), dann finden wir
pro Episode mindestens 25-50 Zeilen, über die geredet werden muss. Glaubst Du, bei einem Übersetzer-Anfänger wären das weniger, oder der würde schneller arbeiten? Erinnere Dich daran, wie lange wir beiden alleine schon an "Tabidatsu asa ni" gesessen haben (und das fand ich als Unterricht ganz toll).
Bei einem Übersetzer-Workshop wäre das allererste, dass ich
mehrere verschiedene EngSubs zu dem vorgegebenen Anime bereitstellen und den Übersetzer-Lehrlingen die Aufgabe stellen würde, herauszufinden, welcher davon sich wofür besonders gut eignet (wer ist vom Satzbau her wie nahe am Original, wer domestiziert stärker, wer verwendet wie stark amerikanische Umgangssprache, komplizierte idioms oder slang etc.... und ja, dafür muss man das eine oder andere Wort nach Japanisch zurück übersetzen...). Dazu muss man nämlich richtig gut Englisch können - aber wenn in dieser Phase etwas schief geht, dann sitzt der Übersetzer mit einem suboptimalen EngSub als Vorgabe da und merkt nicht mal, dass die Übersetzung nach Deutsch nur noch schlechter werden kann. Und ja, von einem
Fan, der ein Anime übersetzen will,
erwarte ich, dass er sich mehrere EngSubs ansieht, wenn diese verfügbar sind, und dass er erkennen kann, was ein SpeedSub ist.
Ein interessantes Übungsmaterial wäre beispielsweise Episode 1 von Love Hina. Ich habe zwei verschiedene EngSubs und den GerDub gesehen - und wenn man die miteinander vergleicht, dann rollen sich einem die Fußnägel hoch. Ganze Teile der Handlung sind in der deutschen DVD-Version umgeschrieben worden - teilweise, weil der "Übersetzer" nicht verstanden hat, dass bestimmte Zeilen Schlüsselinformationen enthalten, die einige Episoden später dringend gebraucht werden (und dann mit dem, was er in Episode 1 verbrochen hat, in unauflösbarem Widerspruch stehen...), teilweise weil der "Übersetzer" eigene billige Witzchen einbauen wollte, um das "erwachsene" Publikum mit zusätzlichem Fanservice zu versorgen (auf Kosten der Konsistenz von Charakteren!). Das Problem dabei ist natürlich, dass man die gesamte Serie kennen muss, um die Auswirkungen dieser Abweichungen zu begreifen... und wer schaut Love Hina schon aus dem Blickwinkel des exakten Textverständnisses an? (Außer mir natürlich - aber für mich ist Love Hina ja auch ein Drama und keine Comedy.) Solche Auswüchse gibt es natürlich auch bei amerikanischen DVDs. ("Seikai no Senki" sage ich da nur...)
Um eine Episode zu übersetzen, muss man sie vor allem erst mal verstanden haben - und zwar
vollständig verstanden. Auch die Kleinigkeiten. Das geht nicht mit zeilenweiser Übersetzung eines englischen Skripts, das geht nur mit Ansehen, wieder ansehen und nochmal ansehen. Und zwar nicht nur das gesubbete Videomaterial, sondern auch mal das reine deutsche Skript wie einen Manga lesen und kontrollieren, ob da alles inhaltlich zusammenpasst. Das ist der Hauptgrund dafür, wieso ich aus meinen Skripten
HTML-Seiten generiere, die wesentlich besser lesbar sind als die Skriptdateien selbst.
Erst diese Woche habe ich wieder einen GerSub gesehen, wo in
zwei direkt aufeinanderfolgenden Zeilen sinngemäß stand:
"Hast Du den ... gesehen?" - "Ja, ich habe es gesehen." Der Übersetzer hat im zweiten Satz mechanisch "it" nach "es" übersetzt, ohne sich den
direkt davor stehenden Satz auch nur anzusehen und den inhaltlichen Bezug herzustellen, worum es dabei überhaupt ging! Und das war ein Release! Der Übersetzer, der Editor
und sämtliche QCs haben das durchgehen lassen! Gnlpfts... da könnte ich jedes Mal in den Tisch beißen. Babelfisch, Babelfisch, Babelfisch... und das soll ein "Fansub" sein, wenn
keinen einzigen aus dem Team die Handlung des Anime interessiert?
Eine Beschränkung auf 1-2 Episoden bedeutet natürlich, dass das Übungsmaterial in Sachen Kulturfußnoten und Typesetting möglichst anspruchsvoll sein muss, damit der Typesetter-Teil der Teilnehmer auch schon bei 1-2 Episoden genügend zu tun hat. Allerdings fallen dabei ja zwingend zwei Song-Karaokes an, und die Produktions-Kanjis könnte man auch übersetzen (das geht auch weitgehend ohne Japanisch-Kenntnisse, wie ich aus eigener Erfahrung weiß - Recherche ist das halbe Leben...) und typesetten lassen. Zwei OVA-Episoden sind locker genug für ein solches Projekt.
Ich schaue gerade Kamichu, wo im OP sämtliche Produktions-Credits in die Handlung eingearbeitet wurden (der eine Name steht auf einem vorbeifahrenden Auto, der zweite mit Kreide auf die Straße gemalt usw.) - daraus hätte man im GerSub ein Meisterwerk des Typesetting machen können (allerdings auch mit entsprechendem Aufwand).
Garrett wrote:Der zeitlich intensivere Praxisteil würde darin bestehen, die gelernte Theorie am Beispiel der Themen-Serie umzusetzen - meiner Meinung nach am besten - als Zusammenarbeit des ganzen Seminars (nicht zu große Teilnehmerzahl vorrausgesetzt) und unter Anleitung der(Möglichst mehrere) Lehrer. So würde auch die Teamfähigkeit gefördert - die ich, zumindest bei Übersetzung, Edit und QC für sehr wichtig halte.
Klar, man
könnte ein komplettes Anime übersetzen. In Hochschulbegriffen wird dann eine Semesterveranstaltung daraus - 13 Wochen mit jeweils 2 Stunden Vorlesung plus 10+ Stunden praktischer Übung (und das ist für das Übersetzen einer kompletten Episode noch vorsichtig geschätzt). Das ist eine Größenordnung mehr als ein "Camp".
Rei_Battlecake wrote:Ich persönlich bin überhaupt kein Fan von Wiki-Artikeln und sonstigen Tutorials etc. schlicht aus dem Grund, weil man daraus eher Grundwissen ziehen kann, welches sich zwar viele Leute zu Herzen nehmen, dann wenns drauf ankommt aber doch nicht anwenden... Es ist schön zu wissen, dass man Problem XYZ so und so angehen kann, doch ohne konkrete Beispiele (welche leider in sehr vielen solchen Artikeln Mangelware sind) wissen die meisten Leute nicht, was sie mit ihrem soeben erworbenen Wissen anfangen können. Solch ein Seminar könnte eben genau diese Lücke der "Praxiserfahrung" und direkten Anwendung stopfen, welche die meisten Tutorials höchstens kurz anschneiden. Außerdem hilft es immer sehr, wenn man mit konkreten Beispielen auf erfahrene Leute zugehen kann, die einem dann genau erklären können, was man in dem vorliegenden Fall tun könnte und wieso dies so klappen könnte...
Wenn sich Fansubben
allein mit Tutorials vermitteln ließe, dann würden wir hier nicht diskutieren.
Andererseits vermitteln Tutorials, Handbücher etc. aber einen Überblick darüber, was geht und was nicht geht - es nützt mir ja nichts, mit einen Karaoke-Effekt zu wünschen, ich muss letzten Endes doch irgendwie begreifen, wie SSA funktioniert und was die einzelnen Anweisungen können (und vor allem was sie
nicht können).
Wenn ich eine Bewegung typesetten will, muss ich wissen, was \move und \t können und woran ich erkennen kann, ob diese konkrete Bewegung diejenigen Eigenschaften aufweist, welche mir erlauben, sie mit \move zu beschreiben, statt jeden einzelnen Frame zu typesetten; diese Eigenschaften könnte man prima in einem Tutorial dokumentieren (das ist beispielsweise ein Punkt, den mein bisheriges SSA-Handbuch nicht abdeckt, weil mir dazu die Erfahrung fehlt). Im Kurs würdest Du dann die Aufgabe stellen, an konkreten Beispielen die richtige Methode zu wählen - aber dafür muss man die Liste sämtlicher Methoden nicht nochmal komplett vorlesen, man kann den potentiellen Teilnehmern durchaus entsprechende Literatur vorgeben, in der sie nachschlagen dürfen (ein Tutorial lesen und verstehen zu können ist ja auch schon eine Leistung!), und ihnen empfehlen, vor Beginn des Kurses dieses Tutorial zumindest einmal durchzulesen (ohne zu diesem Zeitpunkt alles verstehen zu müssen, sich aber hoffentlich wenigstens zu erinnern, was wo steht, wenn man es später sucht).